Selfcare kannst du lernen
Es ist Montag um die Mittagszeit und ich war heute schon richtig fleißig.
Die Wohnung ist zusammengeräumt und sauber, die Wäsche zusammengelegt, eine weitere Maschine gewaschen und aufgehängt. Der Geschirrspüler ist leer und die E-Mails der letzten Tage sind auch abgearbeitet. Die letzten Wochen waren terminlich dicht gedrängt aufgrund einiger wirklich großartiger Projekte in mehreren Bereichen. Selbst am Wochenende konnte ich nicht wirklich ausschlafen und jeder, der mich kennt, weiß, dass das für mich die Hölle ist.
Ich bin ja nicht umsonst so schön, die Schönheitsschläfchen am Wochenende sind mein Lebenselixier. Ein idealer Sonntag (in meiner Wunschvorstellung) läuft ungefähr so ab: ausschlafen, dies und das, Mittagsschläfchen, dies und das, früh schlafen gehen, Punkt. Spielt es nur nicht, dennoch achte ich in der Norm darauf, zumindest ausschlafen zu können.
Egal, darum geht es eigentlich gar nicht, war nur eine Information am Rande, zwecks unnützen Wissens. Ich merke jedenfalls, wie mich die Müdigkeit packt. Seit meiner zweiten C-Infektion könnte ich eigentlich permanent schlafen, doch heute konnte ich glücklicherweise ausschlafen und war am Morgen noch der Meinung, der Welt heute ein Loch zu reißen. „Denkste“ höre ich mich in meinem Kopf fluchen. Eigentlich wollte ich noch sooo viel erledigen. „Aber so ein Nickerchen wäre schon genial.“, flüstert der Engel auf meiner rechten Schulter. Nein, keine Sorge, ich bin noch ganz knackig im Kopf.
Also was tun, ein Nickerchen halten? Nein, ich werde einmal einen Kaffee trinken, mich in die Sonne setzen und ein wenig abschalten, dann bin ich sicher wieder fit.
Kurz darauf sitze ich tatsächlich auf meinem Balkon in der Sonne, meinen Zimtkaffee in der Hand und … dem Geplärre der Kindergartenkinder in den Ohren. Bitte versteht mich nicht falsch, ich mag Kinder total gerne. Nur sind ungefähr 20 davon, im spannenden Alter von drei bis sechs Jahren, nicht gerade die Flüsterkönig*innen. Ok, das halte ich heute nicht aus. Ich gehe also wieder rein und schließe leicht frustriert die Balkontür. Musik hören und abshaken? „Ui!“, meint mein Knie und zwickt schon mal vorbeugend. Hmpf, langsam wird’s mir zu bunt. Ich will doch nur ein wenig abschalten. Und zack, ist sie da, die Blitzidee.
Ich schmeiße mich in die Badewanne. Eine Stunde Me-Time. Yes, das ist es. Ich liebe es zu baden, ein gutes Buch, einen Kaffee oder manchmal abends ein Glaserl Wein, und ab in die Wanne. Danach fühle ich mich (fast) wie nach einem Kurzurlaub.
„Aber Montagmittag in die Badewanne, das geht doch nicht?“ grüble ich. Ah, da ist er wieder, der Glaubenssatz ´Erst die Arbeit, dann das Vergnügen´. Oft genug in der Kindheit und in der Gesellschaft gehört, irgendwann übernommen und geglaubt.
„Hallo, schön dich mal wieder zu treffen, danke dass du vorbeigeschaut hast. Kannst dich aber jetzt getrost wieder vertschüssen. Und zwar ganz fix. Ab mit dir.“ höre ich mich laut sagen. Ja, ich weiß, dass ich ein wenig Banane im Kopf bin. Macht aber nix. Ich kann ganz gut damit leben. 😉
Mittlerweile ist es 14 Uhr und das heiße Wasser läuft in die Wanne. Während ich noch richtig stolz auf mich bin, weil ich diesen miesepetrigen Glaubenssatz verabschiedet habe, leere ich gefühlt einen halben Liter Schaumbad in die Wanne. Das Buch liegt bereit und ich das Handy ist aus. Man weiß ja nie.
Und gut war es. Nach dem wirklich sagenhaft entspannenden Bad sehe ich einige Anrufe in Abwesenheit. Eine meiner Freundinnen hat angerufen und weil ich sie schon lange nicht mehr gehört habe, rufe ich sie als Erstes zurück.
„Na wo treibst dich denn rum, weilst nicht rangehen konntest?“ begrüßt sie mich. Ja, so ist sie halt, kommt immer gleich zum Punkt. Wozu auch hallo sagen? Außerdem hat man abzuheben, wenn Madame anruft, man hat ja sonst nix zu tun. Am liebsten möchte ich gleich wieder auflegen.
Aber gut, ich bin ja nicht so. „War in der Wanne, habe ein bisserl Me-Time gebraucht, was treibst du?“, antworte ich beiläufig und gleich darauf fragt sie mich ernsthaft, ob ich nix anderes zu tun hätte. Schließlich habe ich ja viele Projekte und sollte nicht einen auf faul machen, sondern daran arbeiten, damit auch was weitergeht. Und so fad möchte ihr mal sein, sich am Montagnachmittag in die Wanne zu legen. Ihre Empörung springt mir fast aus dem Telefon entgegen.
Moment einmal bitte, wo sind wir denn? Seit wann muss ich mir von anderen sagen lassen, was ich zu tun habe? Also so nicht Madame. „Schon mal was von Selfcare gehört?“ Ja klar, sagt sie mir, aber von nix kommt schließlich nix also hat sie keine Zeit für sowas. Erzählt mir aber gleich danach, dass sie das eigentlich gut gebrauchen könnte. Ihre Gastritis plagt sie wieder einmal, ihr Kreuz ist sowieso seit Jahren hin und ihre Kopfschmerzen wurden auch endlich abgeklärt, die kommen von Verspannungen. „Mhmhmmm“ entfährt es mir nur. Ist ja eh alles ein Witz laut ihr und alt werden darf man halt nicht, aber auf der faulen Haut liegen darf man deswegen auch nicht. Immerhin muss man den „jungen“ zeigen, wo es lang geht und wie der Hase läuft.
Kennt ihr auch solche Personen, die einfach, rücksichtslos und ungefragt ihre Meinung kundtun oder ständig versuchen alles, was nicht dieser Meinung entspricht, schlecht zu machen? Ja? Ich denke, jeder hatte schon einmal mit so einem Menschen zu tun. Meine Bekannte ist so ein Mensch, an guten Tagen kann ich es übergehen und denke mir meinen Teil. Eigentlich ist das auch nicht richtig. Und natürlich muss man auch unterscheiden, ob dieser Mensch negativ eingestellt ist und niemandem etwas gönnt oder ob die Person einfach einen schlechten Tag hat. Möglicherweise ist es auch jemand, der es euch nur gut meint und sich nicht anders ausdrücken kann. Missgunst und die Unfähigkeit der Selbstreflexion sind übrigens Zeichen von mentaler Ungesundheit. Gibt es das Wort eigentlich? Hm, keine Ahnung. Mehr dazu erfahrt ihr in einem späteren Blogartikel.
Im Moment platzt mir fast der Kopf vor lauter Negativität und da fällt mir wieder einmal viel zu spät ein, warum ich diese Freundin eigentlich nur noch als Bekannte betrachte und nach Möglichkeit nur alle paar Jahre sehe. Sie sendet solche negativen Vibes aus, dass mein Entspannungsbad gleich wieder fürn Hugo war. Also beschließe ich, mich einer Notlüge zu bedienen. Ja, Ja, Ja nicht die feine englische Art, aber ich bin halt auch nur ein Mensch. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein, ihr wisst Bescheid gell.
„Du, bei mir läutet grad ein wichtiger Anruf rein. Tut mir echt leid, aber da muss ich rangehen. Ich melde mich die Tage bei dir, das dauert bestimmt länger. Und wenn wir uns wieder hören, reden wir darüber, wie man negative Glaubenssätze aufspürt und bearbeitet. Da kann ich dir dann auch eine richtig tolle Mentaltrainerin empfehlen. Jetzt muss ich echt … Tschüss, bis bald.“
Wie ihr seht: Niemand ist perfekt. Auch ich bin das nicht. Doch ich hatte heute wieder einige wertvolle Learnings:
> Ich habe einen meiner längsten Glaubenssätze höflich verabschiedet. Auch wenn er ganz bestimmt wieder einmal vorbeischaut und ich ihm vielleicht nicht immer gleich den Weg zur Tür zeigen kann, ist jedes Mal, wenn ich es schaffe, ein Fortschritt. (Ja, ihr seht, auch Coaches, Trainer*innen usw. müssen ständig an sich selbst arbeiten 😉)
> Ich werde mir bestimmt nicht, von anderen ein schlechtes Gewissen einreden lassen, weil ich etwas tue, das mir guttut.
> Ich werde meiner Bekannten sagen, dass sie mich privat bitte nicht mehr anrufen möge, denn eigentlich haben wir schon seit Jahren nichts mehr gemeinsam. Eventuell biete ich ihr noch die Kontaktdaten einer Mentaltrainerkollegin an. Mal sehen.
> Manchmal dürfen sich Wege trennen, nichts muss für die Ewigkeit sein. Und manchmal können sich auch die Settings einfach ändern
> Ich muss mich nicht mit negativen Vibes umgeben
> Ich darf quality Time mit Menschen verbringen, die sich mit positiven Vibes umgeben und selbstreflektiert sind.
Glücklicherweise hat mein Bad doch noch länger ein entspanntes Gefühl hinterlassen, denn ich konnte heute noch einiges erledigen. Eigentlich wollte ich euch ja von der Buchstabensuppe am Wörthersee erzählen, aber dieser Blogartikel brannte mir unter den Fingern. Bald gibt’s dann aber den Rückblick auf ein paar wirklich großartige Tage mit wahnsinnig wertvollen Menschen.
Bis dahin alles Liebe
eure Barbara